Aufhebung von Geschwindigkeitsbeschränkungen – Die 4 Fälle
Nach bestandener Führerscheinprüfung das erste Mal alleine hinterm Steuer zu sitzen kann sehr stressig sein – besonders wenn man sich unsicher ist, wie Geschwindigkeitsbeschränkungen aufgehoben werden. Aber auch Fahrzeugführer mit langjähriger Erfahrung fragen sich manchmal: Ist mit diesem Verkehrszeichen, dieser Kombination oder in dieser Verkehrssituation die Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit aufgehoben?
Sei unbesorgt, wir werden dem Ganzen auf den Grund gehen, sodass du stressfrei an Geschwindigkeitsbeschränkungen vorbeifahren kannst, ohne zu befürchten geblitzt zu werden.
Verkehrszeichen 274 regelt die zulässige Höchstgeschwindigkeit. Das Ende der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ergibt sich durch die Hauptzeichen 274, 278, 282, 310 und 311, der Kombination mit Gefahrzeichen oder einem Zusatzzeichen mit einer Längenangabe.
Selbstverständlich hält das deutsche Verkehrsrecht einige Fallstricke parat, die es zu beachten gilt. So kommt es in manchen Fällen auf die örtlichen Gegebenheiten an. Des Weiteren ist es entscheidend, mit welchem Gefahrzeichen Verkehrszeichen 274 kombiniert ist.
Lass uns die 4 Fälle zur Aufhebung einer Geschwindigkeitsbeschränkung nacheinander durchgehen. Zum Schluss analysieren wir noch 2 Fälle, die nicht so eindeutig sind.
Dieser Artikel ist Teil der Artikelreihe Zeichen 274: Zulässige Höchstgeschwindigkeit, welche sich in folgende Teile unterteilt:
- Geschwindigkeitsbeschränkungen mit Gefahrzeichen
- Geschwindigkeitsbeschränkungen mit Zusatzzeichen
- Aufhebung von Geschwindigkeitsbeschränkungen
Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem dritten Teil: Aufhebung von Geschwindigkeitsbeschränkungen. Zu den anderen Teilen gelangst du durch Klick auf einen der obigen Links.
Abbiegen
Das Zeichen 274 (Zulässige Höchstgeschwindigkeit) ist ein Streckenverbot. Das bedeutet, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der vor dir liegenden Strecke beschränkt ist.
Biegst du an einer Kreuzung oder Einmündung ab, befährst du eine neue Strecke.

In der Einmündung gilt dann die Geschwindigkeitsbeschränkung nicht mehr.
Hauptzeichen
Es gibt vier Hauptzeichen, die eine Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit aufheben.
Ende der zulässigen Höchstgeschwindigkeit
Die Unternummer des Verkehrszeichens 278 steht jeweils für den Zahlenwert. Beim Ende einer vorher geltenden Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 km/h wird beispielsweise die graue “70” auf dem Zeichen 278 durchgestrichen.
Ende streckenbezogener Geschwindigkeitsbeschränkungen und Überholverbote
Zeichen 282 hebt, entgegen der weitverbreiteten Annahme, nicht alle vorher angeordneten Verkehrsverbote auf. Tatsächlich markiert Verkehrszeichen 282 lediglich das Ende sämtlicher streckenbezogener Geschwindigkeitsbeschränkungen und Überholverbote.
Damit hebt Zeichen 282 zwar streckenbezogene Geschwindigkeitsbeschränkungen durch Zeichen 274 auf; Verkehrsverbote, wie Lkw-Verbote (Zeichen 253), jedoch nicht.
Neue Geschwindigkeitsbeschränkungen
Die herrschende Meinung geht davon aus, dass eine neue Geschwindigkeitsbeschränkung eine alte Geschwindigkeitsbeschränkung aufhebt (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage 2011, Rn. 45b zu § 3 StVO).
Aufeinander folgende Geschwindigkeitsbeschränkungen werden “Geschwindigkeitstrichter” genannt. Man spricht auch von einer stufenweisen Herabsetzung der Geschwindigkeit.

“Geschwindigkeitstrichter” findest du auf Autobahnen und autobahnähnlichen Straßen (VwV-StVO zu Zeichen 274).
Bei einem Geschwindigkeitstrichter mit den aufeinander folgenden Geschwindigkeitsbeschränkungen 120 km/h, 100 km/h und 80 km/h gilt also Folgendes:
Zwischen den Geschwindigkeitsbeschränkungen 120 km/h und 100 km/h gilt eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h.

Zwischen den Geschwindigkeitsbeschränkungen 100 km/h und 80 km/h gilt eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h.

Ab der Geschwindigkeitsbeschränkung 80 km/h darf maximal 80 km/h schnell gefahren werden.
Die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h gilt solange, bis diese durch ein anderes Verkehrszeichen aufgehoben wird.
Neue Geschwindigkeitsbeschränkungen mit Zusatzzeichen
Anders verhält es sich allerdings bei Geschwindigkeitsbeschränkungen mit Zusatzzeichen:
Geschwindigkeitsbeschränkungen mit Zusatzzeichen gelten nur unter bestimmten Bedingungen. Geschwindigkeitsbeschränkungen werden durch Zusatzzeichen auf bestimmte Tageszeiten oder auf bestimmte äußere Umstände beschränkt.
Eine Geschwindigkeitsbegrenzung endet nicht durch eine neue Geschwindigkeitsbeschränkung, das nur unter bestimmten Bedingungen gilt (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage 2011, Rn. 45b zu § 3 StVO).
Stell dir nun einmal vor, du fährst um 19 Uhr auf einer Autobahn. Vor dir wird die Geschwindigkeit auf 120 km/h begrenzt.

Kurz darauf folgt eine weitere Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h mit einem Zusatzzeichen mit der Aufschrift “16-18 h”.

Durch die oben dargestellte Beschilderungskombination wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h im Zeitraum von 16 Uhr bis 18 Uhr beschränkt.
Das bedeutet, dass von 18 Uhr bis 16 Uhr des Folgetages Tempo 120 auf dem oben genannten Streckenabschnitt gilt, der mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h und dem Zusatzzeichen “16-18 h” beschildert ist.

In unserem Beispiel darfst du also auf dem besagten Streckenabschnitt der Autobahn um 19 Uhr 120 km/h schnell fahren.
Um 17 Uhr gilt auf dem Streckenabschnitt mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h und dem Zusatzzeichen “16-18 h” allerdings Tempo 100.

Das ist auch der Grund, warum nach der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h und dem Zusatzzeichen “16-18 h” eine weitere Geschwindigkeitsbeschränkung auf 120 km/h folgt.
Wenn du die Autobahn auf dem oben genannten Streckenabschnitt um 17 Uhr befährst, wird die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h durch die neue Geschwindigkeitsbeschränkung auf 120 km/h aufgehoben.
Ähnlich verhält es sich bei einer Geschwindigkeitsbeschränkung mit dem Zusatzzeichen “bei Nässe”:

Eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h hebt sich “bei Nässe” an einer Beschilderungskombination aus Tempo 80 und dem Zusatzzeichen “bei Nässe” auf.

Liegt keine Nässe vor, gilt Tempo 100 auch auf dem Streckenabschnitt mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h und dem Zusatzzeichen “bei Nässe” weiter.

Eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h und dem Zusatzzeichen “bei Nässe” wird zum Beispiel durch eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 km/h wieder aufgehoben.
Vielleicht fragst du dich ja jetzt, was sich hinter dem Begriff „bei Nässe“ verbirgt. In meinem Beitrag Bedeutung von Geschwindigkeitsbeschränkungen mit Zusatzzeichen kannst du mehr zu diesem Thema erfahren.
Ortstafel
Außerhalb geschlossener Ortschaften beträgt die zulässige Höchstgeschwindigkeit für Personenkraftwagen sowie für andere Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse bis 3,5 t 100 km/h (§ 3 Absatz 3 StVO).

Ab der Ortstafel gelten die für den Verkehr bestehenden innerörtlichen und außerörtlichen Vorschriften (Anlage 3 laufende Nummer zu 5 und 6 StVO).
Darunter fallen auch die gesetzlichen Vorgaben zur zulässigen Höchstgeschwindigkeit.
Mit Zeichen 310 beginnt eine geschlossene Ortschaft (Anlage 3 laufende Nummer 5 StVO).
Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt innerorts für alle Kraftfahrzeuge 50 km/h (§ 3 Absatz 3 StVO).

Das bedeutet, dass durch die Ortstafel eine neue zulässige Höchstgeschwindigkeit vorgegeben wird. Ab dem Zeichen 310 gilt die innerörtliche Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h.
Die innerörtliche Regelgeschwindigkeit von 50 km/h gilt aber nur für Kraftfahrzeuge. Radfahrer und Reiter dürfen sich innerhalb geschlossener Ortschaften auch schneller durch den Straßenverkehr bewegen.
Nach Zeichen 311 endet eine geschlossene Ortschaft (Anlage 3 laufende Nummer 6 StVO).

Wenn auf Höhe einer Ortstafel ortsauswärts ein Zeichen 274 mit der Aufschrift “70” aufgestellt ist, gilt auf dem weiteren Streckenverlauf eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h.
Mit einem Fahrzeug darf dann
nicht schneller als mit der jeweils angegebenen Höchstgeschwindigkeit
Anlage 2 laufende Nummer 49 StVO
gefahren werden.
Das gilt jedoch nicht für alle Fahrzeugarten:
Außerhalb geschlossener Ortschaften bleiben die für bestimmte Fahrzeugarten geltenden Höchstgeschwindigkeiten unberührt, selbst wenn durch Zeichen 274 eine höhere Geschwindigkeit zugelassen ist (Anlage 2 laufende Nummer 49 StVO).
Damit sind die folgenden Höchstgeschwindigkeiten außerhalb geschlossener Ortschaften gemeint (§ 3 Absatz 3 Nummer 2 Buchstabe a und b StVO):
Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t bis 7,5 t, ausgenommen Personenkraftwagen | 80 km/h |
Personenkraftwagen mit Anhänger | 80 km/h |
Lastkraftwagen und Wohnmobile jeweils bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 3,5 t mit Anhänger | 80 km/h |
Kraftomnibusse, auch mit Gepäckanhänger | 80 km/h |
Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t | 60 km/h |
alle Kraftfahrzeuge mit Anhänger, ausgenommen Personenkraftwagen, Lastkraftwagen und Wohnmobile jeweils bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 3,5 t | 60 km/h |
Kraftomnibusse mit Fahrgästen, für die keine Sitzplätze mehr zur Verfügung stehen | 60 km/h |
Ein Beispiel:
Auf einer außerörtlichen Bundesstraße darf durch Aufstellung von Zeichen 274-80 maximal 80 km/h schnell gefahren werden. Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t dürfen jedoch trotzdem nicht schneller als 60 km/h fahren.
Des Weiteren bleiben auch die Höchstgeschwindigkeiten auf Autobahnen und autobahnähnlichen Straßen für folgende Fahrzeugarten erhalten (§ 18 Absatz 5 StVO):
Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3,5 t, ausgenommen Personenkraftwagen | 80 km/h |
Personenkraftwagen mit Anhänger, Lastkraftwagen mit Anhänger, Wohnmobile mit Anhänger und Zugmaschinen mit Anhänger | 80 km/h |
Kraftomnibusse ohne Anhänger oder mit Gepäckanhänger | 80 km/h |
Krafträder mit Anhänger und selbstfahrende Arbeitsmaschinen mit Anhänger | 60 km/h |
Zugmaschinen mit zwei Anhängern | 60 km/h |
Kraftomnibusse mit Anhänger oder mit Fahrgästen, für die keine Sitzplätze mehr zur Verfügung stehen | 60 km/h |
Auch hier ein Beispiel:
Auf einer Straße mit zwei Fahrbahnen in eine Richtung und Mittelstreifen ist eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h vorgeschrieben.
Personenkraftwagen mit Anhängern dürfen auf dieser Straße trotzdem nur 80 km/h fahren.
Zu guter Letzt noch ein wichtiger Hinweis:
Von Ortshinweistafeln (Zeichen 385) geht keine Regelung zur Geschwindigkeit aus.

Ortshinweistafeln sind grüne rechteckige Verkehrszeichen, auf denen Siedlungsnamen in gelber Schrift aufgebracht sind. Ortshinweistafeln werden von einem gelben Strich umrandet.
Kombination mit Gefahrzeichen
Die Kombination aus einem Gefahrzeichen und einer Geschwindigkeitsbeschränkung wird einerseits dazu verwendet, Fahrzeugführern die Einhaltung der angezeigten Geschwindigkeit nahe zu legen.
Wenn Gefahrzeichen mit Geschwindigkeitsbeschränkungen kombiniert werden, ist zudem
das Ende [der] streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkung […] nicht gekennzeichnet, wenn […] sich aus der Örtlichkeit zweifelsfrei ergibt, von wo an die angezeigte Gefahr nicht mehr besteht.
Anlage 2 laufende Nummer 55 StVO
Ob sich eine Geschwindigkeitsbeschränkung automatisch nach der Gefahrstelle aufhebt, hängt also davon ab, ob zweifelsfrei erkennbar ist, von wo die angezeigte Gefahr nicht mehr besteht.

In welchen Fällen zweifelsfrei erkennbar ist, wo die angezeigte Gefahr nicht mehr gilt, ist wiederum davon abhängig, mit welchem Gefahrzeichen Zeichen 274 zusammen aufgestellt ist.
Bis wohin die Geschwindigkeitsbeschränkungen in Kombination mit Gefahrzeichen in den einzelnen Fällen gelten, kannst du in meinem Beitrag zur Beschränkung der Geschwindigkeit mit Gefahrzeichen nachlesen.
Längenangabe
Zeichen 274 kann zusammen mit einem Zusatzzeichen aufgestellt werden, welches die Länge des Verbots angibt.
Dann wird auch das Ende einer streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkung nicht mehr gekennzeichnet (Anlage 2 laufende Nummer 55 StVO).
Allerdings ist dies nur bei kurzen Strecken möglich (Anlage 2 laufende Nummer 55 StVO).
Meiner Ansicht nach ist daher nur Zusatzzeichen 1001-30 (auf … m) für eine Kombination aus Zeichen 274 mit einer Längenangabe geeignet.
Auf dem unteren Bild gilt die Geschwindigkeitsbeschränkung zum Beispiel für 200 m.

Da sich die betreffende Stelle innerorts befindet, gilt anschließend wieder die innerörtliche Regelgeschwindigkeit von 50 km/h.
Kritisch analysiert: Kreisverkehr
Ob Geschwindigkeitsbeschränkungen an Kreisverkehren enden, ist umstritten.
Das OLG München sieht einen Kreisverkehr für einfahrende Verkehrsteilnehmer beispielsweise als Zäsur an. Der Kreisverkehr stelle einen eigenen Verkehrsbereich dar. Das äußere sich in der für einen Kreisverkehr typischen Vorfahrtsregelung (OLG München, Beschluss vom 03.08.2009 – 24 U 252/09).
Der Verkehr auf der Kreisfahrbahn hat Vorfahrt (§ 8 Absatz 1a StVO).
Daraus ergibt sich für das OLG München, dass bei Kreisverkehren außerhalb geschlossener Ortschaften, Geschwindigkeitsbeschränkungen ohne Wiederholung der entsprechenden Beschränkung nach dem Kreisverkehr, nicht über den Kreisverkehr hinaus gelten (OLG München, Beschluss vom 03.08.2009 – 24 U 252/09).

Dabei ist aber zu beachten, dass das OLG München lediglich ein oberes Landesgericht des Bundeslandes Bayern ist. Nur Bundesgerichte, wie das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) oder der Bundesgerichtshof (BGH), können Urteile fällen, die für das gesamte Bundesgebiet Geltung entfalten.
Zudem ist das OLG München nur eines von drei oberen Landesgerichten Bayerns. Die verschiedenen Oberlandesgerichte Bayerns können unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten.
Bei einer solchen Rechtsunsicherheit ist davon auszugehen, dass Geschwindigkeitsbeschränkungen, welche vor dem Kreisverkehr aufgestellt wurden, im Zweifel auch nach dem Kreisverkehr in gerader Linie weiter gelten.
Falls Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht nach dem Kreisverkehr weiter gelten sollen, empfiehlt es sich diese durch Zeichen 278 oder Zeichen 282 nach dem Kreisverkehr aufzuheben.
Kritisch analysiert: Geschwindigkeitsbegrenzung nach einer Kreuzung oder Einmündung
Heben Kreuzungen oder Einmündungen Geschwindigkeitsbeschränkungen auf?
Was spricht dafür, dass sich Geschwindigkeitsbeschränkungen an Kreuzungen oder Einmündungen nicht aufheben?
Hierzu lohnt sich ein Blick in die für die Straßenverkehrsbehörden bindende Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO).
Nach der VwV-StVO sollen die Zeichen 274 hinter Kreuzungen und Einmündungen wiederholt werden, wenn mit dem Einbiegen ortsunkundiger Kraftfahrer zu rechnen ist (VwV-StVO zu den Zeichen 274, 276 und 277).
Das OLG Hamm sprach in seinem Fall hinsichtlich der Annahme Streckenverbote, wie Zeichen 274, würden sich nach einer Kreuzung aufheben von einem “vermeidbaren Verbotsirrtum” (OLG Hamm, Beschluss vom 05.07.2001 – 2 Ss OWi 524/01).
In anderen Worten: Dass sich eine Geschwindigkeitsbeschränkung mit Zeichen 274 nach einer Kreuzung oder Einmündung automatisch aufhebt, stellt laut dem OLG Hamm einen weit verbreiteten Irrglauben dar.
Weiter führte das OLG Hamm aus:
Es ist einhellige Meinung in Literatur und Rechtsprechung, dass eine durch Zeichen 274 angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung als sog. Streckenverbot erst an einen gemäß § 41 Abs. 2 Nr. 7 StVO aufgestellten Zeichen 278 endet.
OLG Hamm, Beschluss vom 05.07.2001 – 2 Ss OWi 524/01; OLG Hamm, Beschluss vom 08.01.1996 – 2 Ss OWi 1422/95 jeweils mit weiteren Nachweisen
Die Sache scheint also klar: Ohne Aufhebung durch Hauptzeichen, der Kombination mit einem Gefahrzeichen oder einer Längenangabe gilt die entsprechende Geschwindigkeitsbeschränkung auch hinter einer Kreuzung oder Einmündung weiter.
Gerichte vertreten allerdings mitunter unterschiedliche Rechtsauffassungen bei Klagen gegen die Ahndung von Geschwindigkeitsverstößen, wenn Geschwindigkeitsbegrenzungen nach der Einmündung oder Kreuzung nicht wiederholt werden.
Ein Überblick der Gerichte, die sich dafür aussprechen, dass Geschwindigkeitsbeschränkungen nach Einmündungen oder Kreuzungen weiter gelten:
Gericht | Datum | Quelle |
---|---|---|
OLG Oldenburg | 15.01.2019 | 2 Ss (OWi) 10/19 |
OLG Hamm | 05.07.2001 | 2 Ss OWi 524/01 |
OLG Hamm | 08.01.1996 | 2 Ss OWi 1422/95 |
OLG Hamm | 30.01.1974 | 4 Ss OWi 58/74 |
BGH | 25.09.1957 | 4 StR 367/57 |
Zur Ahndung von Geschwindigkeitsverstößen nach einer Einmündung hat sich beispielsweise schon das OLG Oldenburg geäußert:
So befuhr der Kläger eine Landesstraße mit zwei aufeinander folgenden Einmündungen. Vor der ersten Einmündung war die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h begrenzt. Der Kläger bog in die zweite Einmündung ein, um anschließend aus dieser wieder auf die Landesstraße aufzufahren (OLG Oldenburg, Beschluss vom 15.01.2019 – 2 Ss (OWi) 10/19).
Der Kläger vertrat die Ansicht, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 km/h aus diesem Grund nicht für ihn gelte (OLG Oldenburg, Beschluss vom 15.01.2019 – 2 Ss (OWi) 10/19).
Das Gericht entschied jedoch, dass sich der Kläger an die Geschwindigkeitsbeschränkung erinnern hätte können, da es sich um eine einheitliche Fahrt gehandelt hatte (OLG Oldenburg, Beschluss vom 15.01.2019 – 2 Ss (OWi) 10/19).
Das deckt sich auch mit der Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1957, wonach Verbote nachdem diese wahrgenommen wurden, bei einheitlicher Fahrt auf der gesamten Strecke beachtet werden müssen (BGH, Urteil vom 25.09.1957 – 4 StR 367/57).
Daher galt die Geschwindigkeitsbegrenzung von 70 km/h im Fall des OLG Oldenburg auch für den Kläger (OLG Oldenburg, Beschluss vom 15.01.2019 – 2 Ss (OWi) 10/19).
Das OLG Hamm ist der Ansicht, dass die Wiederholung von Vorschriftzeichen für eine Strecke hinter jeder Kreuzung oder Einmündung im Rahmen des Sichtbarkeitsgrundsatzes nur für den Einbiegeverkehr notwendig ist (OLG Hamm, Beschluss vom 05.07.2001 – 2 Ss OWi 524/01).
Somit war die Ahndung des Geschwindigkeitsverstoßes ohne Wiederholung der Geschwindigkeitsbeschränkung im Fall des OLG Hamm rechtens.
Das LG Bonn entschied wiederum, dass Geschwindigkeitsbeschränkungen mit Zeichen 274 auch für den Geradeausverkehr nur bis zur nächsten Einmündung gelten. Geschwindigkeitsbeschränkungen müssen nach Ansicht des LG Bonn demnach nach jeder Einmündung wiederholt werden, wenn sie weiter gelten sollen (LG Bonn, Urteil vom 19.05.2003 – 2 O 567/02).
Kritisch analysiert: Geschwindigkeitsbegrenzung nach Autobahnauffahrten
Lediglich das OLG Hamm hat sich zu Geschwindigkeitsbeschränkungen nach Autobahnauffahrten geäußert (OLG Hamm, Beschluss vom 08.01.1996 – 2 Ss OWi 1422/95):
Laut dem OLG Hamm müssen für auf die Autobahn auffahrende Fahrzeuge Geschwindigkeitsbeschränkungen an, in oder hinter der Auffahrt wiederholt werden, damit sie wirksam geahndet werden können.
Alle Fahrzeugführer, die die Autobahn bereits vor der Autobahnauffahrt befahren, und für die in diesem Bereich mindestens eine Geschwindigkeitsbeschränkung aufgestellt ist, gilt nach Ansicht des OLG Hamm diese Geschwindigkeitsbeschränkung nach der Auffahrt weiter.
Zusammenfassung
Biegst du an einer Kreuzung oder einer Einmündung ab, so befindet du dich auf einer neuen Strecke. Geschwindigkeitsbeschränkungen anderer Strecken gelten in der Einmündung nicht.
Durch die Hauptzeichen “Ende der zulässigen Höchstgeschwindigkeit”, “Ende sämtlicher streckenbezogener Geschwindigkeitsbeschränkungen und Überholverbote” und der “Ortstafel” heben sich Geschwindigkeitsbeschränkungen auf.
Werden Gefahrzeichen mit Zeichen 274 kombiniert, bezieht sich die Geschwindigkeitsbeschränkung ausschließlich auf die Gefahrstelle. Eine Aufhebung der Geschwindigkeitsbeschränkung mit den oben aufgeführten Hauptzeichen unterbleibt, wenn zweifelsfrei erkennbar ist, wo die Gefahr endet.
Geschwindigkeitsbeschränkungen, bei denen Zeichen 274 zusammen mit einer Längenangabe aufgestellt ist, sind automatisch nach der angegebenen Länge aufgehoben. Ein weiteres Verkehrszeichen zur Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung ist nicht erforderlich.
Bei geradliniger Durchfahrt durch einen Kreisverkehr bleiben Geschwindigkeitsbeschränkungen vor einem Kreisverkehr im Zweifelsfall auch nach dem Kreisverkehr gültig.
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