Fahrradstraße einrichten: 5 wichtige Voraussetzungen [+VwV-StVO 2021]
Die Einrichtung von Fahrradstraßen soll den Radverkehr fördern und bestehende Radverkehrsströme bündeln. Durch die Einrichtung von Fahrradstraßen können besonders innerorts Anreize geschaffen werden, das Fahrrad, anstelle des Autos, zu verwenden, um von A nach B zu gelangen. Um eine Fahrradstraße einrichten zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
Eine Fahrradstraße muss aufgrund der Fahrbahnbreite erforderlich und vorzugsweise an Einmündungen und Kreuzungen bevorrechtigt werden. Bei der Einrichtung einer Fahrradstraße muss auf die Verkehrszusammensetzung, die Beschilderung und die Widmung geachtet werden.
In diesem Beitrag erwarten dich folgende Inhalte:
- Konfliktpunkte in Fahrradstraßen
- Prüfung der Erforderlichkeit
- Verkehrszusammensetzung in einer Fahrradstraße
- Ausbau einer Fahrradstraße
- und vieles mehr …
Lass uns gemeinsam das Mysterium Fahrradstraße entschlüsseln!
Erforderlichkeit einer Fahrradstraße
Unfälle in Fahrradstraßen
Zur verkehrssicheren Einrichtung von Fahrradstraßen sollte man sich zu Beginn die Frage stellen, wo die Konfliktpunkte in Fahrradstraßen liegen.
Laut der Studie des GDV für die Jahre 2008 bis 2012 hielten sich Unfälle an Knotenpunkten und Unfälle auf freier Strecke bei Fahrradstraßen die Waage (Fahrradstraßen und geöffnete Einbahnstraßen, Seite 7).
Es lässt sich jedoch einiges zur Aufteilung der Unfalltypen sagen:
An Knotenpunkten in Fahrradstraßen dominierten im Untersuchungszeitraum von 2008 bis 2012 mit 80 % Einbiegen-/Kreuzen-Unfälle (Fahrradstraßen und geöffnete Einbahnstraßen, Seite 7).
Auf freier Strecke ging im Untersuchungszeitraum von 2008 bis 2012 der überwiegende Teil – 56 % der untersuchten Unfälle – auf das Konto des ruhenden Verkehrs (Fahrradstraßen und geöffnete Einbahnstraßen, August 2016, Seite 7).
Unfälle mit dem ruhenden Verkehr sind Unfälle von Radfahrern mit parkenden Fahrzeugen. Das kann beispielsweise ein Unfall eines Radfahrers mit einer geöffneten Fahrertür eines Autos sein. Diese werden auch “Dooring”-Unfälle genannt.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat 2016 die Unfalltypen bei Radverkehrsunfällen in Deutschland verglichen:
Nach Analyse von 579 Radverkehrsunfällen in bundesweit 26 innerörtlichen Fahrradstraßen wurde festgestellt, dass 40 % der Radverkehrsunfälle auf Einbiegen-/Kreuzen-Unfälle zurückzuführen waren (Fahrradstraßen – Leitfaden für die Praxis, September 2021, Seite 7, 13).
Ein besonderes Augenmerk muss zudem auf das Verhalten von Fußgängern sowie Einmündungen und Kreuzungen mit rechts vor links Regelung in Fahrradstraßen gelegt werden.
Die PGV-Alrutz hat ermittelt, dass nach Einrichtung der Münchener Fahrradstraßen 10 % aller polizeilich erfassten Radverkehrsunfälle ursächlich auf falsches Verhalten von Fußgängern beim Queren der Fahrbahn zurückzuführen sind (Landeshauptstadt München Evaluierung Fahrradstraßen, Seite 10).
Der Anteil von rechts vor links Unfällen stieg von 9,3 % auf 16,4 % nach Einrichtung der Fahrradstraßen in München (Landeshauptstadt München Evaluierung Fahrradstraßen, Seite 10).
In Münchener Fahrradstraßen passieren laut Untersuchung der PGV-Alrutz seltener Unfälle als vor Einrichtung der Fahrradstraßen. Das spiegelt sich in der geringeren Unfalldichte wider (Landeshauptstadt München Evaluierung Fahrradstraßen, Seite 10-11).
Allerdings nimmt die Unfallschwere zu (Landeshauptstadt München Evaluierung Fahrradstraßen, Seite 10-11).
Es ist sinnvoll, die Erfahrungen der oben genannten Unfalluntersuchungen bei der Einrichtung von Fahrradstraßen im Hinterkopf zu behalten.
Begründung von Fahrradstraßen
Verkehrszeichen dürfen nur aufgestellt werden, wenn sie aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich sind (§ 45 Absatz 9 Satz 1 StVO).
Das gilt auch für die Aufstellung von Zeichen 244.1 (Anfang einer Fahrradstraße).
Das bedeutet, dass man eine Fahrradstraße nur einrichten kann, wenn dies zwingend erforderlich ist.
Laut Urteil des VG Hannover stellt die Einrichtung einer Fahrradstraße eine Beschränkung des Verkehrs dar (VG Hannover, Urteil vom 13.08.2021 – 7 A 5667/19).
Das VG Hannover begründete dies damit, da Kraftfahrzeuge Fahrradfahrer in Fahrradstraßen nicht behindern dürfen (Anlage 2 laufende Nummer 23 StVO; VG Hannover, Urteil vom 13.08.2021 – 7 A 5667/19).
Beschränkungen des fließenden Verkehrs dürfen nur bei einer qualifizierten Gefahrenlage wegen besonderer örtlicher Verhältnisse verfügt werden (§ 45 Absatz 9 Satz 3 StVO).
Fahrradstraßen stellen Beschränkungen des fließenden Verkehrs dar.
Das kommt daher, da die Geschwindigkeit in Fahrradstraßen auf 30 km/h beschränkt ist (Anlage 2 laufende Nummer 23 StVO).
Trotz dessen, dass Fahrradstraßen Beschränkungen des fließenden Verkehrs darstellen, sind sie aber vom Vorliegen einer qualifizierten Gefahrenlage ausgenommen (§ 45 Absatz 9 Satz 4 StVO).
Fahrradstraßen müssen demnach lediglich das Kriterium der Erforderlichkeit erfüllen.
Wie kann man den Prüfungspunkt “Erforderlichkeit” greifbar machen?
Schauen wir mal, was die Rechtsprechung bisweilen zu Fahrradstraßen gesagt hat.
Erforderlichkeit und Fahrgassenbreite
Das VG Hannover hat entschieden, dass bei zugelassenen Kraftfahrzeugen in einer Fahrradstraße, besonders auf die Fahrgasse der Fahrradstraße geachtet werden muss.
Mit der Fahrgasse ist die zur Verfügung stehende Fahrbahnbreite nach Abzug von Parkflächen gemeint.
Bei Fahrgassenbreiten zwischen 3,00 m bis 3,45 m wären Fahrradstraßen mit zugelassenen Kraftfahrzeugen laut dem VG Hannover nicht erforderlich (VG Hannover, Urteil vom 17.07.2019 – 7 A 7457/1).
Das VG Hannover stellt dabei auf die seitlichen Mindestabstände zwischen Autofahrern und Radfahrern ab.
Bei einer Fahrgassenbreite zwischen 3,00 m bis 3,45 m wären die seitlichen Mindestabstände nicht mehr gewährleistet.
Anders sieht es das VG Berlin:
Eine Fahrradstraße kann nach einem Urteil des VG Berlin erforderlich sein, wenn ansonsten Radfahrer gefährdet wären.
In der Abwägung kann sich die Gefahrenlage für Radfahrer durch den hohen Anteil an Radfahrern und einer Fahrbahnbreite von 4,60 m an engen Stellen begründen (VG Berlin, Urteil vom 05.12.2018 – 11 K 298.17).
Das allgemeine Rücksichtnahmegebot im Straßenverkehr und das Abstandsgebot beim Überholen würde ansonsten nicht ausreichen (VG Berlin, Urteil vom 05.12.2018 – 11 K 298.17).
Kurz gesagt: Während des VG Hannover Fahrradstraßen bei geringen Breiten als nicht erforderlich ansieht, erachtet das VG Berlin Fahrradstraßen bei geringen Fahrbahnquerschnitten als erforderlich.
Anordnung und Wirkung
Des Weiteren sind nach Ansicht des VG Hannover Fahrradstraßen dann erforderlich, wenn die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Straßenverkehrs-Ordnung nicht ausreichen, damit die Wirkung einer Fahrradstraße erreicht wird (VG Hannover, Urteil vom 13.08.2021 – 7 A 5667/19).
Gleichzeitig muss die Einrichtung einer Fahrradstraße nach Meinung des VG Hannover allerdings auch die allein in Betracht kommende Maßnahme der Gefahrenabwehr sein (VG Hannover, Urteil vom 13.08.2021 – 7 A 5667/19).
Mit anderen Worten:
- Wenn die Einhaltung der Gebote und Verbote einer Fahrradstraße auf einem bestimmten Streckenabschnitt mit den allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Straßenverkehrs-Ordnung nicht erreicht werden können, ist eine Fahrradstraße erforderlich.
- Durch die Einrichtung der Fahrradstraße wird der Gefahr durch die gemeinsame Benutzung der betreffenden Straße durch Radfahrer und Kraftfahrzeuge wirksam entgegengewirkt.
Zwischenfazit
Es ist festzuhalten, dass das Erfordernis einer Fahrradstraße im Einzelfall geprüft werden muss.
In der Abwägung kann man entweder zum Ergebnis kommen, dass wegen der Einhaltung von seitlichen Mindestabständen eine Fahrradstraße erforderlich ist, oder nicht.
Die Prüfung der Erforderlichkeit einer Fahrradstraße ist daher nicht wirklich zielführend, muss aber trotzdem vor der Einrichtung einer Fahrradstraße erfolgen.
Prüft die Straßenverkehrsbehörde nicht, ob die Fahrradstraße erforderlich ist, muss sie sich am Ende noch Ermessensfehlgebrauch vorwerfen lassen.
Verkehrszusammensetzung einer Fahrradstraße
VwV-StVO 2017
Die VwV-StVO 2017 verlangte, dass in Fahrradstraßen Radfahrer die vorherrschende Verkehrsart sein müssen. War dies nicht der Fall, musste zumindest zu erwarten sein, dass der Radverkehr nach Einrichtung der Fahrradstraße die dominierende Verkehrsart wird (VwV-StVO 2017 zu Zeichen 244.1 und 244.2, BAnz AT 29.05.2017 B8).
Bei Letzterem musste man vor dem Einrichten einer Fahrradstraße also prognostizieren, wie sich die Maßnahme “Fahrradstraße einrichten” auf die Verkehrszusammensetzung in der betrachteten Straße auswirkt.
“Wie sollte das gehen”, fragst du dich?
Also bevor mir meine Glaskugel die nächsten Lottozahlen mitteilte, sagte sie mir immer zuerst voraus, wie sich die Verkehrszusammensetzung einer Fahrradstraße nach der Einrichtung entwickeln wird.
Spaß beiseite. Ich glaube aber, dass das Problem klar geworden ist.
VwV-StVO 2021
Nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung vom 15.11.2021 dürfen Fahrradstraßen nunmehr nur auf Straßen
- mit einer hohen Fahrradverkehrsdichte,
- mit einer zu erwartenden hohen Fahrradverkehrsdichte,
- mit einer hohen Netzbedeutung für den Radverkehr oder
- mit lediglich untergeordneter Bedeutung für den Kraftfahrzeugverkehr
eingerichtet werden (VwV-StVO 2021 zu Zeichen 244.1 und 244.2, BAnz AT 15.11.2021 B1).
Im Gegensatz zur VwV-StVO 2017, muss der Radverkehr laut der VwV-StVO 2021 nicht mehr vorherrschende Verkehrsart sein (VwV-StVO 2021 zu Zeichen 244.1 und 244.2, BAnz AT 15.11.2021 B1).
Stattdessen reicht es aus, wenn durch die Einrichtung einer Fahrradstraße eine hohe Fahrradverkehrsdichte erreicht wird (VwV-StVO 2021 zu Zeichen 244.1 und 244.2, BAnz AT 15.11.2021 B1).
Dabei muss meiner Ansicht nach Folgendes berücksichtigt werden, wenn Kraftfahrzeuge in Fahrradstraßen zugelassen werden:
Bei genauso vielen Radfahrern als Kraftfahrzeugen in einer für den Kraftfahrzeugverkehr freigegebenen Fahrradstraße bleibt der Radverkehrsanteil auf der Fahrbahn konstant und die Fahrgeschwindigkeit der Kraftfahrzeuge nimmt nicht zu (Fahrradstraßen – Leitfaden für die Praxis, September 2021, Seite 17).
Auch bei unechten Fahrradstraßen mit mehr Radfahrern als Kraftfahrzeugen bleibt die Anzahl der Radfahrer gleich. Die Fahrgeschwindigkeit der Kraftfahrzeuge erhöht sich ebenso wenig (Fahrradstraßen – Leitfaden für die Praxis, September 2021, Seite 17).
Nach Einrichtung einer Fahrradstraße sollten Straßenverkehrsbehörden die Verkehrszusammensetzung der Fahrradstraße im Blick behalten.
Sollte sich herausstellen, dass die betreffende Fahrradstraße keine hohe Fahrradverkehrsdichte aufweist, sollte die Aufhebung der Fahrradstraße in Betracht gezogen werden.
Echte und unechte Fahrradstraßen
In Fahrradstraßen sind nur Radfahrer und Elektrokleinstfahrzeuge im Sinne der eKFV, umgangssprachlich E-Scooter genannt, erlaubt. Andere Fahrzeuge, wie Autos und Motorräder, dürfen Fahrradstraßen nicht befahren (Anlage 2 laufende Nummer 23 StVO).
Fahrradstraßen ohne Kraftfahrzeugverkehr könnte man als echte Fahrradstraßen bezeichnen.
Wesentlich häufiger kommen aber unechte Fahrradstraßen – mit zugelassenen Kraftfahrzeugen – vor. Das bedeutet, dass Autos und Motorräder ebenfalls in Fahrradstraßen fahren dürfen.
Eine Studie des “Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.” (GDV) hat 179 Fahrradstraßen untersucht.
Das Ergebnis: Von bundesweit 179 untersuchten Fahrradstraßen waren 96 % keine echten Fahrradstraßen (Fahrradstraßen und geöffnete Einbahnstraßen, August 2016, Seite 6).
Der GDV rät von der generellen Freigabe von Kraftfahrzeugen in Fahrradstraßen abzusehen. Er empfiehlt vielmehr den Kraftfahrzeugverkehr in Fahrradstraßen auf Anlieger zu begrenzen (Fahrradstraßen und geöffnete Einbahnstraßen, August 2016, Seite 9).
Die RASt sieht die Einrichtung von Fahrradstraßen bis zu einer Belastung von etwa 400 Kraftfahrzeugen in einer Stunde vor (Kapitel 6.1.7.7 RASt).
Die VwV-StVO 2021 verlangt vor Einrichtung einer Fahrradstraße die Berücksichtigung der Bedürfnisse des Kraftfahrzeugverkehrs. Gegebenenfalls ist für Kraftfahrzeuge eine alternative Verkehrsführung vorzusehen (VwV-StVO 2021 zu Zeichen 244.1 und 244.2, BAnz AT 15.11.2021 B1).
Mit Kraftfahrzeugen sind Kraftfahrzeuge gemeint, die nicht unter die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) fallen (VwV-StVO 2021 zu Zeichen 244.1 und 244.2, BAnz AT 15.11.2021 B1).
Werden Kraftfahrzeuge in Fahrradstraßen nicht zugelassen, muss man sich für diesen Verkehr folglich Alternativen überlegen.
Die RASt geht sogar noch einen Schritt weiter: Sie verlangt selbst bei Freigabe der Fahrradstraße für Kraftfahrzeuge, alternative Routenführungen für den Kraftfahrzeugverkehr (Kapitel 6.1.7.7 RASt).
Dies soll unter anderem dazu dienen Durchgangsverkehr in der Fahrradstraße vorzubeugen.
Mit Durchgangsverkehr ist Verkehr gemeint, der kein Ziel innerhalb der Fahrradstraße hat. Er fährt lediglich “durch” die Fahrradstraße.
Die innerörtliche Freigabe einer Fahrradstraße für den Kraftfahrzeugverkehr sollte nur abschnittsweise und nicht durchgängig eingerichtet werden (Fahrradstraßen – Leitfaden für die Praxis, September 2021, Seite 15).
Die abschnittweise Freigabe einer Fahrradstraße für Kraftfahrzeuge sollte nur auf einem kurzen Streckenabschnitt erfolgen (Fahrradstraßen – Leitfaden für die Praxis, September 2021, Seite 15).
Ausbau einer Fahrradstraße
In Fahrradstraßen gelten die Verkehrsregeln über die Vorfahrt unverändert (Anlage 2 laufende Nummer 23 StVO).
Das bedeutet, dass an Einmündungen und Kreuzungen ohne vorfahrtregelnde Verkehrszeichen, nach dem Einrichten einer Fahrradstraße immer noch “rechts vor links” gilt.
Bei den durch den GDV betrachteten Fahrradstraßen waren 28 % der Radfahrer an Einmündungen und Kreuzungen bevorrechtigt. Bei 38 % der Einmündungen und Kreuzungen galt “rechts vor links” (Fahrradstraßen und geöffnete Einbahnstraßen, August 2016, Seite 6).
Es kann aber nicht Sinn und Zweck von Fahrradstraßen sein, dass Radfahrer bei jeder Einmündung von rechts Vorfahrt gewähren müssen.
Fahrradstraßen sind Fahrbahnen, die vor allem dem Radverkehr vorbehalten sind (Kapitel 6.3 ERA).
Fahrradstraßen sollen den Radverkehr bündeln. Damit sind sie ganz besonders für Hauptverbindungen des Radverkehrs geeignet (Kapitel 6.3 ERA).
Sie sollen Radfahrern auch eine hohe Geschwindigkeit ermöglichen (Kapitel 6.1.7.7 RASt).
Deswegen sollten Einmündungen entlang von Fahrradstraßen untergeordnet werden (Kapitel 6.1.7.7 RASt).
Die Bevorrechtigung von Fahrradstraßen an Einmündungen wird von den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) ebenfalls befürwortet. Jedoch merkt die ERA an, dass die Vorfahrtregelung entlang von Fahrradstraßen von den örtlichen Gegebenheiten abhängig gemacht werden soll (Kapitel 6.3 ERA).
Das kann entweder mit Vorfahrt regelnden Verkehrszeichen, oder baulichen Veränderungen erfolgen.
Vorfahrt für Radfahrer durch Verkehrszeichen
Mit Vorfahrt regelnden Verkehrszeichen ist die Aufstellung von Vorfahrt gebenden und Vorfahrt nehmenden Verkehrszeichen an Einmündungen und Kreuzungen entlang einer Fahrradstraße gemeint.
Nachteil: Das führt in der Praxis zur Aufstellung weiterer Verkehrszeichen. Zudem muss berücksichtigt werden, dass die Aufstellung von Zeichen 301 (Einmalige Vorfahrt) nur maximal dreimal hintereinander erlaubt ist (VwV-StVO zu Zeichen 301).
Ausnahmsweise kann von dieser Regel abgewichen werden, wenn Busse bevorrechtigt werden müssen (VwV-StVO zu Zeichen 301).
Dass eine Fahrradstraße in einer Straße mit Busverkehr eingerichtet wird, ist jedoch eher selten der Fall.
Kann in längeren Fahrradstraßen eine Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) eingerichtet werden?
Die VwV-StVO sieht Vorfahrtstraßen nur an Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) und weiteren für den innerörtlichen Verkehr wesentlichen Hauptverkehrsstraßen vor (VwV-StVO zu Zeichen 306).
Die StVO und VwV-StVO schließen Fahrradstraßen auf Straßen des überörtlichen Verkehrs und weiteren für den innerörtlichen Verkehr wesentlichen Hauptverkehrsstraßen nicht aus.
Allerdings muss sich eine Fahrradstraße in das straßenplanerische Gesamtkonzept einfügen.
Straßen der Kategoriengruppe HS bilden das System des innerörtlichen Hauptverkehrsstraßennetzes. Der Radverkehr wird vorzugsweise auf gesonderten Radverkehrsanlagen geführt (Kapitel 0 RASt).
Fahrradstraßen können nicht als gesonderte Radverkehrsanlagen im Zuge von innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen eingerichtet werden.
Hinsichtlich der straßenrechtlichen Widmung kann es sich bei Straßen der Kategoriengruppe HS um Bundesstraßen, Landesstraßen, Kreisstraßen oder Gemeindestraßen handeln (Kapitel 0 RASt).
Die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Straßen der Kategoriengruppe HS beträgt in der Regel 50 km/h (Kapitel 0 RASt).
In Fahrradstraßen gilt für den Fahrverkehr eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h (Anlage 2 laufende Nummer 23 StVO).
Fahrradstraßen sollten demnach in der Regel nicht auf Straßen der Kategoriengruppe HS eingerichtet werden.
Laut den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) machen Fahrradstraßen Hauptverbindungen des Radverkehrs im Erschließungsstraßennetz sichtbar (Kapitel 6.3 ERA).
Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) und weitere für den innerörtlichen Verkehr wesentliche Hauptverkehrsstraßen stellen keine Erschließungsstraßen dar.
Im Gegensatz dazu können nach den Musterlösungen für Radschnellverbindungen in Baden-Württemberg innerörtliche Fahrradstraßen innerhalb von Tempo 30-Zonen mit Vorfahrstraßen (Zeichen 306) bevorrechtigt werden (Musterlösungen für Radschnellverbindungen in Baden-Württemberg, März 2018, Seite 18).
Auch die Bergische Universität Wuppertal kommt zum Ergebnis, dass Verkehrsteilnehmer entlang von Fahrradstraßen auch mit Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) gegenüber einmündenden Fahrzeugen bevorrechtigten werden können (Fahrradstraßen – Leitfaden für die Praxis, September 2021, Seite 32).
Meiner Meinung nach erlaubt die Rechtslage Behörden derzeit keine Bevorrechtigung von Fahrradstraßen über mehr als drei Knotenpunkte hinweg.
Als Alternative können bauliche Veränderungen in Erwägung gezogen werden (Kapitel 6.3 ERA).
Vorfahrt für Radfahrer durch bauliche Veränderung
Alle Einmündungen können beim Einrichten einer Fahrradstraße mit abgesenkten Bordsteinen versehen werden. Man spricht auch von Gehwegüberfahrten.
An Einmündungen mit abgesenktem Bordstein gilt § 10 StVO. Wenn man über einen abgesenkten Bordstein in eine Straße einfahren möchte, muss man Vorfahrt gewähren. Es sind dann keine zusätzlichen Verkehrszeichen erforderlich, um die Vorfahrtsituation zu regeln.
Gehwegüberfahrten stellen die sicherste Variante zur Bevorrechtigung von Radfahrern an Kreuzungen oder Einmündungen im Zuge von Fahrradstraßen dar (Fahrradstraßen – Leitfaden für die Praxis, September 2021, Seite 31).
Nachteil: Der Umbau kostet sehr viel Geld. Ein Umbau an Knotenpunkten zur Bevorrechtigung des Radverkehrs sollte daher, wenn möglich, in Verbindung mit anderen Maßnahmen erfolgen.
Verkehrsberuhigung in einer Fahrradstraße
Damit zugelassene Kraftfahrzeuge in einer Fahrradstraße die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h einhalten, sind verkehrsregelnde und bauliche Maßnahmen vorzusehen (Kapitel 6.3 ERA; Kapitel 6.1.7.7 RASt).
Fahrbahnanhebung
Eine durchgehende Fahrbahnanhebung entlang einer Fahrradstraße kann den Komfort für Radfahrer einschränken und dazu führen, dass Radfahrer verstärkt den Gehweg nutzen (Fahrradstraßen – Leitfaden für die Praxis, September 2021, Seite 41).
Die ERA spricht von baulichen Einengungen an Einmündungen und Kreuzungen oder von der Anhebung der Kreuzungsbereiche (Kapitel 6.3 ERA).
Die Stadt Bonn spricht sich für die Anhebung von Kreuzungen zur Reduzierung der Geschwindigkeit in Fahrradstraßen aus. Dabei solle aber auf die taktil-optische Abgrenzung zu Gehwegen Wert gelegt werden (Fahrradstraßenkonzept 2020 Stadt Bonn, Kapitel 2).
Klar sollte aber sein: Man kann nicht die Fahrbahn anheben und gleichzeitig abgesenkte Bordsteine in den Kreuzungsbereichen anbringen.
Möchte man an Kreuzungen und Einmündungen sowohl die Geschwindigkeit verringern, als auch dem Radfahrer Vorfahrt einräumen, muss man an vorfahrtregelnde Verkehrszeichen denken.
Parkflächen
Außerhalb von Einmündungen und Kreuzungen kann die Anlage von Parkflächen zur Verkehrsberuhigung beitragen.
Auf Senkrechtparkstände oder Schrägparkstände sollte in Fahrradstraßen allerdings verzichtet werden (VwV-StVO 2021 zu Zeichen 244.1 und 244.2, BAnz AT 15.11.2021 B1).
Wechselseitiges Parken in Fahrradstraßen kann Radfahrer behindern und zu weniger Radfahrern in Fahrradstraßen führen (Fahrradstraßen – Leitfaden für die Praxis, September 2021, Seite 41).
Bauliche Einengung und Sperrfläche
Laut VwV-StVO 2021 kann die Fahrbahnbreite in Fahrradstraßen durch bauliche Maßnahmen oder Sperrflächen eingeengt werden (VwV-StVO 2021 zu Zeichen 244.1 und 244.2, BAnz AT 15.11.2021 B1).
Dabei sollte jedoch berücksichtigt werden, dass Einengungen den Radverkehr entschleunigen.
Einengungen des Radverkehrs können den Radverkehr behindern und in einer Verringerung des Radverkehrsanteils in einer Fahrradstraße resultieren (Fahrradstraßen – Leitfaden für die Praxis, September 2021, Seite 41).
Klassische Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung, wie Fahrgassenversätze und Blumenkübel, sollten meiner Meinung nach entgegen der Aussagen der VwV-StVO 2021 nicht verwendet werden.
Was Fahrgassenversätze sind, erfährst du in meinem Beitrag zu Verkehrsberuhigungsmaßnahmen.
Sinuswelle
Wellenförmige Fahrbahnen werden auch als Sinuswellen bezeichnet (Radschnellverbindungen in NRW – Leitfaden für Planung, Bau und Betrieb, November 2020, Seite 31).
Der wellenförmige Ausbau der Straße soll ein unangenehmes Schwingungsverhalten beim Kraftfahrzeugfahrer hervorrufen (Radschnellverbindungen in NRW – Leitfaden für Planung, Bau und Betrieb, November 2020, Seite 31).
Sinuswellen haben zum Ziel Kraftfahrzeuge zu verlangsamen oder Kraftfahrzeuge zur Wahl von Alternativrouten zu bewegen (Radschnellverbindungen in NRW – Leitfaden für Planung, Bau und Betrieb, November 2020, Seite 31).
In den Niederlanden werden zur Verkehrsberuhigung in Fahrradstraßen ebenfalls Sinuswellen eingesetzt (Fietsberaadnotitie: Aanbevelingen fietsstraten binnen de kom, März 2019, Seite 19, 21).
Diagonalsperre
Zur Reduzierung der Kraftfahrzeuge in einer Fahrradstraße können Diagonalsperren verkehrsrechtlich angeordnet werden (Fahrradstraßen – Leitfaden für die Praxis, September 2021, Seite 9, 41).
Diagonalsperren werden beispielsweise zur Verkehrsberuhigung in Berliner Fahrradstraßen eingesetzt (Umsetzung von Fahrradstraßen in Berlin – Leitfaden, August 2020, Seite 21, 37).
In Nordrhein-Westfalen werden Diagonalsperren in Fahrradstraßen im Zuge von Radschnellwegen verwendet (Radschnellverbindungen in NRW – Leitfaden für Planung, Bau und Betrieb, November 2020, Seite 32, 121).
Gegenläufige Einbahnstraße
Weiterhin können gegenläufige Einbahnstraßen zur Verkehrsberuhigung in Fahrradstraßen eingesetzt werden (Fahrradstraßen – Leitfaden für die Praxis, September 2021, Seite 9, 41).
Gegenläufige Einbahnstraßen müssen verkehrsrechtlich angeordnet werden. Sie bedürfen demnach einer Einzelfallentscheidung.
Straßenverkehrsbehörden müssen Ermessen ausüben und gegenläufige Einbahnstraßen begründen.
Anfang und Ende einer Fahrradstraße
Es ist wenig sinnvoll Fahrradstraßen einzurichten, wenn diese nicht eine Fortführung bestehender Radverkehrsverbindungen darstellen.
Auch das Ende einer Fahrradstraße sollte nicht im Nichts enden. Das Ende einer Fahrradstraße sollte in eine weitere Radverkehrsanlage, wie eine Aufstellfläche vor einer Ampel, einen Radweg, einen Radfahrstreifen oder einen Schutzstreifen münden.
An Einmündungen und Kreuzungen lässt sich durch eine sogenannte Ausfahrtpforte – auch Velopforte genannt – die Einfahrt von Kraftfahrzeugen in die Fahrradstraße wirksam verhindern (Leitlinien für die einheitliche Gestaltung von Fahrradstraßen Stadt Erlangen, Kapitel 4.4).
Nach der Velopforte wird Radfahrern mit dem Verkehrszeichen 244.1 angezeigt, dass sie sich in einer Fahrradstraße befinden.
Durch die oben dargestellte Kombination werden Radfahrer ebenfalls darauf aufmerksam gemacht, dass die Fahrradstraße für Kraftwagen, sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge, Krafträder (auch mit Beiwagen), Kleinkrafträder und Mofas freigegeben ist.
In die Fahrradstraße einbiegende Radfahrer müssen im Verlauf der Fahrradstraße demnach mit Kraftfahrzeugen in Gegenrichtung rechnen.
Fahrradstraßen müssen sich in ein Gesamtkonzept einfügen. Hauptrouten für den Radverkehr können außerorts mit Radschnellwegen und innerorts mit Fahrradstraßen geführt werden.
Länge einer Fahrradstraße
Die Regelwerke machen keine Vorgaben, wie lang eine Fahrradstraße mindestens sein muss (Fahrradstraßen – Leitfaden für die Praxis, September 2021, Seite 15).
Ebenso wenig schreibt der Verordnungsgeber vor, wie lang eine Fahrradstraße maximal sein darf (Fahrradstraßen – Leitfaden für die Praxis, September 2021, Seite 15).
Fahrradstraßen können demnach einerseits der Bündelung des Radverkehrs durch eine Stadt dienen und damit eine Hauptverkehrsachse des Radverkehrs darstellen (Fahrradstraßen – Leitfaden für die Praxis, September 2021, Seite 15).
Andererseits können Fahrradstraßen auch zum Lückenschluss zwischen anderen Radverkehrsführungen verwendet werden (Fahrradstraßen – Leitfaden für die Praxis, September 2021, Seite 15).
Beschilderung einer Fahrradstraße: Ein unvollendetes Buch
Der Anfang einer Fahrradstraße wird mit Zeichen 244.1, das Ende mit Zeichen 244.2 beschildert.
Zeichen 244.1 (Beginn einer Fahrradstraße) sollte abgesetzt von Einmündungen oder Kreuzungen aufgestellt werden, sodass sich das Verkehrszeichen nach dem Einbiegen im Blickfeld der einbiegenden Fahrzeuge befindet (Fahrradstraßen – Leitfaden für die Praxis, September 2021, Seite 35).
Größe des Verkehrszeichens “Fahrradstraße”
Wie sieht es mit der Größe der Verkehrszeichen in einer Fahrradstraße aus?
Die Größe von Verkehrszeichen richtet sich nach der zulässigen Höchstgeschwindigkeit am Aufstellort (VwV-StVO zu §§ 39 bis 43).
Schon beim “Anfang einer Fahrradstraße” ist die Sache nicht ganz so einfach. Hier kommt es darauf an, aus welchem Bereich in die Fahrradstraße eingefahren wird.
Bei innerörtlichen Straßen ohne Geschwindigkeitsbegrenzung beträgt die zulässige Höchstgeschwindigkeit 50 km/h.
Quadrate, wie Zeichen 244.1 (Anfang einer Fahrradstraße), sind bei Geschwindigkeiten von 50 km/h bis 100 km/h mit Größe 2 zu beschildern.
Hier muss also Größe 2 verwendet werden (VwV-StVO zu §§ 39 bis 43).
Bei Größe 2 beträgt die Seitenlänge des Quadrats 600 mm bzw. 60 cm (VwV-StVO zu §§ 39 bis 43).
Wesentlich häufiger kommt es jedoch vor, dass man von einer Tempo 30-Zone oder einem verkehrsberuhigten Bereich in eine Fahrradstraße einfährt.
Bei Geschwindigkeiten von 20 km/h bis weniger als 50 km/h ist bei Quadraten Größe 1 zu verwenden (VwV-StVO zu §§ 39 bis 43).
Wenn man von einer Tempo 30-Zone oder einem verkehrsberuhigten Bereich in eine Fahrradstraße einfährt, reicht also Größe 1 aus.
Größe 1 weist eine Seitenlänge von 420 mm bzw. 42 cm auf (VwV-StVO zu §§ 39 bis 43).
Abweichend davon wird auf deutschen Straßen innerorts aber in der Regel mit Größe 2 beschildert.
In Fahrradstraßen gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h (Anlage 2 laufende Nummer 23 StVO).
Für das “Ende einer Fahrradstraße” müsste demnach regelmäßig Größe 1 verwendet werden.
In der Realität wird das Ende einer Fahrradstraße aber vielerorts ebenfalls mit Größe 2 beschildert sein.
Einbahnstraßen in Fahrradstraßen
Um den Verkehr in Fahrradstraßen effektiv zu beruhigen, können Einbahnstraßen eingerichtet werden. Einbahnstraßen dienen nicht nur der Verkehrslenkung, sondern können auch verkehrsberuhigend wirken, wenn sie gegenläufig angelegt werden.
Zu diesem Zweck wurde in Bonn ein neues Zusatzzeichen entwickelt (Fahrradstraßenkonzept 2020 Stadt Bonn, Kapitel 5.1.1):
Das Aufbringen von Sinnbildern auf einem Zusatzzeichen ist zum Freigeben von bestimmten Verkehrsarten erlaubt (Anlage 2 laufende Nummer 23 StVO).
Hier soll bestimmten Verkehrsarten aber die Einfahrt verboten werden. Ob zwei Sinnbilder auf einem Zusatzzeichen zum Verbot von anderen Verkehrsarten aufgebracht werden dürfen ist fraglich.
Des Weiteren ist Zeichen 267 (Verbot der Einfahrt) auf dem oben abgebildeten Zusatzzeichen sehr klein.
Das “Verbot der Einfahrt” ist eine Ronde. Bei Geschwindigkeiten von mehr als 20 km/h bis 80 km/h müssen Ronden die Größe 2 aufweisen (VwV-StVO zu §§ 39 bis 43).
Ronden der Größe 2 erfordern einen Durchmesser von 600 mm bzw. 60 cm.
Das fragliche Zeichen 267 auf dem Zusatzzeichen erfüllt damit mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht die Vorgaben der VwV-StVO. Es ist einfach zu klein.
Meine Meinung: Gegenläufige Einbahnstraßen sollten an Knotenpunkte so aussehen:
Nach dem Verkehrszeichen “Verbot der Einfahrt” in Kombination mit dem Zusatzzeichen “Radfahrer frei” ist das Verkehrszeichen “Fahrradstraße” zusammen mit dem Zusatzzeichen “Kraftwagen, sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge, Krafträder (auch mit Beiwagen), Kleinkrafträder und Mofas frei” aufgestellt.
Die oben genannte Kombination setzt Radfahrer davon in Kenntnis, dass Kraftwagen, sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge, Krafträder (auch mit Beiwagen), Kleinkrafträder und Mofas in der Fahrradstraße freigegeben sind.
Kraftwagen, sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge, Krafträder (auch mit Beiwagen), Kleinkrafträder und Mofas können Radfahrern also in der Fahrradstraße entgegenkommen.
Freigabe von Kraftfahrzeugen
Ausnahmsweise dürfen auch andere Personengruppen oder Fahrzeuge in Fahrradstraßen mit einem Zusatzzeichen zugelassen werden.
Werden Zusatzzeichen unter Zeichen 244.1 angebracht, sind diese laut dem VG Hannover als Einheit zu betrachten (VG Hannover, Urteil vom 17.07.2019 – 7 A 7457/1).
Welche Personengruppen oder Sinnbilder auf den Zusatzzeichen verwendet werden, hat direkt Auswirkung auf die betroffenen Verkehrszwecke bzw. Verkehrsarten. Man muss also die Bedeutung der Schriftzüge und Sinnbilder kennen, damit man weiß, ob man in eine Fahrradstraße einfahren darf, oder nicht.
Andere Fahrzeuge können durch entsprechende Zusatzzeichen generell in Fahrradstraßen zugelassen werden.
Eine Auswahl an Sinnbildern, welche auf Zusatzzeichen unter den Verkehrszeichen “Fahrradstraße” zu finden sind (§ 39 Absatz 7 StVO):
Die Zulassung aller Kraftfahrzeuge in einer Fahrradstraße muss jedoch begründet werden (VG Hannover, Urteil vom 13.08.2021 – 7 A 5667/19).
Anlieger frei
Das kann zum Beispiel der Anliegerverkehr sein (VwV-StVO 2021 zu Zeichen 244.1 und 244.2, BAnz AT 15.11.2021 B1).
Die Zulassung von Anliegern in Fahrradstraßen kann beispielsweise damit begründet werden, dass Anlieger in der Lage sein müssen, auf ihren Grundstücken angelegte Stellplätze anfahren und nutzen zu können (VG Hannover, Urteil vom 13.08.2021 – 7 A 5667/19).
Personenkraftwagen, Krafträder, Kleinkrafträder und Mofas frei
Nach Vorgabe der ERA sollen dabei die folgenden Zusatzzeichen verwendet werden (Kapitel 6.3 ERA):
Die oben dargestellten Zusatzzeichen gewähren aber nur Personenkraftwagen, Krafträdern (auch mit Beiwagen), Kleinkrafträdern und Mofas die Einfahrt in eine Fahrradstraße.
Möchte man generell alle Kraftwagen und sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge in Fahrradstraßen zulassen, muss also ein anderes Sinnbild auf dem Zusatzzeichen gewählt werden.
Kraftwagen, sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge, Krafträder, Kleinkrafträder und Mofas frei
Freigegebene Verkehrsarten können auch gemeinsam auf einem Zusatzzeichen abgebildet sein (Anlage 2 laufende Nummer 23 StVO).
Die Einfahrt in Fahrradstraßen kann beispielsweise mit der unten dargestellten Kombination für Kraftwagen, sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge, Krafträder (auch mit Beiwagen), Kleinkrafträder und Mofas erlaubt sein.
Freigabe in beide Richtungen
Fahrradstraßen können entweder nur in eine, oder in beide Richtungen für Kraftfahrzeuge freigegeben werden (Kapitel 6.3 ERA).
Wird eine Fahrradstraße in beide Richtungen für Kraftfahrzeuge freigegeben, so findet sich an Einmündungen oder Kreuzungen aus beiden Richtungen eine Beschilderungskombination aus dem Verkehrszeichen “Fahrradstraße” und einem entsprechenden Zusatzzeichen.
Die obige Darstellung zeigt die Freigabe von Kraftwagen, sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge, Krafträder (auch mit Beiwagen), Kleinkrafträder und Mofas in einer Fahrradstraße in beide Richtungen.
Freigabe in eine Richtung
Fahrradstraßen können Einbahnstraßen ersetzen, wenn sie nur in eine Richtung für den Kraftfahrzeugverkehr freigegeben werden (Kapitel 6.3 ERA).
Die Freigabe von Kraftwagen, sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge, Krafträder (auch mit Beiwagen), Kleinkrafträder und Mofas in einer Fahrradstraße in eine Richtung ist unten dargestellt.
In der obigen Darstellung wird die Fahrtrichtung für Fahrzeuge durch das Verkehrszeichen “Vorgeschriebene Fahrtrichtung geradeaus” vorgeben.
Durch die Kombination aus dem Verkehrszeichen “Vorgeschriebene Fahrtrichtung geradeaus” und dem Zusatzzeichen “Radverkehr frei” ist es Radfahrern erlaubt, von der vorgeschriebenen Fahrtrichtung abzuweichen.
Radverkehr darf demnach in die betreffende Einmündung einfahren.
Ein Einbiegen in die oben dargestellte Einmündung ist somit für Fahrzeuge – mit Ausnahme von Radfahrern – verboten.
Eine weitere Möglichkeit stellt die Beschilderung mit dem Verkehrszeichen “Verbot der Einfahrt” und dem Zusatzzeichen “Radverkehr frei” dar.
Gegen die obigen Beschilderungen und damit gegen die Freigabe des Kraftfahrzeugverkehrs in eine Richtung spricht allerdings, dass Radfahrer aus einer Richtung nicht auf entgegenkommenden Kraftfahrzeuge hingewiesen werden.
Integration von Fahrradstraßen in Tempo 30-Zonen
Ob Fahrradstraßen in Tempo 30-Zonen integriert werden können, wurde mit Einführung der VwV-StVO 2021 abschließend geklärt.
Fahrradstraßen können demnach wie verkehrsberuhigte Bereiche oder Fußgängerzonen in Tempo 30-Zonen integriert werden.
Übergang einer Fahrradstraße in eine Tempo 30-Zone
Das Ende einer Fahrradstraße darf nicht mit Zeichen 244.2 beschildert werden, wenn die Fahrradstraße in eine Tempo 30-Zone übergeht.
Das Zeichen 244.2 ist entbehrlich, wenn die Fahrradstraße in eine Fußgängerzone (Zeichen 242.1), eine Fahrradzone (Zeichen 244.3), eine Tempo 30-Zone (Zeichen 274.1) oder in einen verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325.1) übergeht.
VwV-StVO 2021 zu Zeichen 244.1 und 244.2, BAnz AT 15.11.2021 B1
Verkehrszeichen sind nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist (§ 45 Absatz 9 Satz 1 StVO).
Entbehrliche Verkehrszeichen sind nicht aufzustellen, da sie nicht zwingend aufgrund der besonderen Umstände erforderlich sind.
Das Verkehrszeichen “Ende einer Fahrradstraße” ist entbehrlich, nicht zwingend erforderlich und folglich auf nicht aufzustellen.
Für das Verkehrszeichen “Ende einer Fahrradstraße” ist demnach das Verkehrszeichen “Anfang einer Tempo 30-Zone” aufzustellen.
Übergang einer Tempo 30-Zone in eine Fahrradstraße
Bei der Ausfahrt aus einer Tempo 30-Zone und Einfahrt in eine Fahrradstraße ist auf Zeichen 274.2 (Ende einer Tempo 30-Zone) zu verzichten.
Das Zeichen 274.2 ist entbehrlich, wenn die Zone in eine Fußgängerzone (Zeichen 242.1), eine Fahrradstraße (Zeichen 244.1), eine Fahrradzone (Zeichen 244.3) oder in einen verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325.1) übergeht. Stattdessen sind die entsprechenden Zeichen des Bereichs anzuordnen, in den eingefahren wird.
VwV-StVO 2021 zu Zeichen 274.1 und 274.2, BAnz AT 15.11.2021 B1
Verkehrszeichen dürfen nur dort aufgestellt werden, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist (§ 45 Absatz 9 Satz 1 StVO).
Da das Verkehrszeichen “Beginn einer Tempo 30-Zone” (Zeichen 274.2) entbehrlich, ist es auch aufgrund der besonderen Umstände nicht zwingend erforderlich.
Als nicht zwingend erforderliches Verkehrszeichen darf das Verkehrszeichen “Beginn einer Tempo 30-Zone” nicht aufgestellt werden, wenn eine Tempo 30-Zone in eine Fahrradstraße übergeht.
Für Zeichen 274.2 ist das Verkehrszeichen “Anfang einer Fahrradstraße” (Zeichen 244.1) aufzustellen.
Somit können Kreuzungen von Tempo 30-Zonen mit Fahrradstraßen bundesweit wie unten dargestellt beschildert werden.
Beispiele aus der Praxis
Wie wurde bisher in der Praxis mit diesem Thema umgegangen?
Zum einen wurde die Auffassung vertreten, dass Fahrradstraßen sich an Kreuzungen und Einmündungen ähnlich wie Fußgängerzonen und verkehrsberuhigten Bereiche verhalten. Auf freier Strecke gibt es ebenso unterschiedliche Herangehensweisen.
Die Stadt Erlangen steht Fahrradstraßen einen besonderen Charakter zu (Leitlinien für die einheitliche Gestaltung von Fahrradstraßen Stadt Erlangen, Kapitel 4.4). Das könnte der Grund sein, warum Fahrradstraßen in Erlangen nicht mit Tempo 30-Zonen zusammengelegt werden können.
Auf freier Strecke sehen Fahrradstraßen in Erlangen demnach so aus:
Des Weiteren sind in Erlangen die Fahrradstraßen an Kreuzungen vollständig in Tempo 30-Zonen integriert (Leitlinien für die einheitliche Gestaltung von Fahrradstraßen Stadt Erlangen, Kapitel 4.3).
Dies führt dann zu folgender Beschilderung:
Statt einem “Ende der Tempo 30-Zone” sind lediglich die Verkehrszeichen “Vorfahrt gewähren” und “Anfang einer Fahrradstraße” beschildert.
An Einmündungen findet in Erlangen hingegen keine vollständige Integration von Fahrradstraßen in Tempo 30-Zonen statt (Leitlinien für die einheitliche Gestaltung von Fahrradstraßen Stadt Erlangen, Kapitel 4.3):
An Einmündungen wird Zeichen 274.2 (Ende einer Tempo 30-Zone) aufgestellt.
Die Stadt Bonn spricht sich zwar ebenso für die Integration von Fahrradstraßen in Tempo 30-Zonen aus, beschildert aber doch ganz anders.
In Bonn können auf freier Strecke Fahrradstraßen mit Tempo-30 Zonen zusammengelegt werden. Es wird sowohl der Anfang und das Ende der Tempo 30-Zone sowie der Anfang und das Ende der Fahrradstraße beschildert (Fahrradstraßenkonzept 2020 Stadt Bonn, Kapitel 5.1.4).
Eine Fahrradstraße, welche eine Tempo 30-Zone kreuzt, sieht in Bonn so aus:
In Bonn wird an Kreuzungen und Einmündungen das “Ende einer Tempo 30-Zone” durch Verkehrszeichen angezeigt. Jedoch wird an Kreuzungen auf das Verkehrszeichen “Ende einer Fahrradstraße” verzichtet.
An Bonner Einmündungen wird das “Ende einer Tempo 30-Zone” und das “Ende einer Fahrradstraße” wiederum gleichermaßen beschildert (Fahrradstraßenkonzept 2020 Stadt Bonn, Kapitel 5.1.4).
Meiner Ansicht nach sollten Fahrradstraßen nicht mit Tempo 30-Zonen zusammengelegt werden. Eine Beschilderung mit den Zeichen 244.1 (Anfang einer Fahrradstraße) und 244.2 (Ende einer Fahrradstraße) ist aufgrund des besonderen Charakters der Fahrradstraße zielführend.
Das entspricht dem Erlanger-Modell – jedoch ohne rote Fahrbahnrandmarkierungen.
Widmung einer Fahrradstraße
Bei der Einrichtung von Fahrradstraßen auf bestehenden Straßen, muss die Widmung berücksichtigt werden.
Bestehende Straßen können in der Regel von allen Fahrzeugen ausnahmslos befahren werden. Man sagt: Die Straße ist für den Gemeingebrauch ausgelegt. Dies wird dann auch in der Widmung so festgelegt.
Wenn eine bestimmte Verkehrsart dauerhaft oder weitestgehend von der Nutzung einer Straße ausgeschlossen werden soll, ist eine Teileinziehung erforderlich. Eine Teileinziehung ist ein straßenrechtliches Verfahren (VwV-StVO zu § 45 Absatz 1 bis 1e).
Vor der Anordnung von Verkehrsverboten […], wie insbesondere durch Zeichen […] 244.1, ist mit der für das Straßen- und Wegerecht zuständigen Behörde zu klären, ob eine straßenrechtliche Teileinziehung erforderlich ist. Diese ist im Regelfall notwendig, wenn bestimmte Verkehrsarten auf Dauer vollständig oder weitestgehend von dem durch die Widmung der Verkehrsfläche festgelegten verkehrsüblichen Gemeingebrauch ausgeschlossen werden sollen. Durch Verkehrszeichen darf kein Verkehr zugelassen werden, der über den Widmungsinhalt hinausgeht.
VwV-StVO 2021 zu Zeichen 274.1 und 274.2, BAnz AT 15.11.2021 B1
Bei Teileinziehungen geht es darum festzustellen, ob die Straße nach Einrichtung eines Verkehrsverbots nicht mehr wie verkehrsüblich befahren werden kann.
Von Fahrradstraßen gehen auch Verkehrsverbote aus. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit in Fahrradstraßen beträgt 30 km/h (Anlage 2 laufende Nummer 23 StVO).
Des Weiteren verbieten Fahrradstraßen – ohne Zusatzzeichen – anderen Fahrzeugen als Fahrrädern das Befahren dieser Straße (Anlage 2 laufende Nummer 23 StVO).
Bei der Einrichtung von echten Fahrradstraßen auf bestehende Straßen, wird demnach eine Teileinziehung auf jeden Fall erforderlich sein.
Fazit
Eine Untersuchung des GDV hat gezeigt: Fahrradstraßen sind sicher (Fahrradstraßen und geöffnete Einbahnstraßen, August 2016, Seite 6).
Neben der abstrakten Prüfung der Erforderlichkeit einer Fahrradstraße, muss auch die Verkehrszusammensetzung der künftigen Fahrradstraße bewertet werden.
Darüber hinaus sollten Fahrradstraßen über Knotenpunkte hinweg bevorrechtigt werden. Das ist aber bei der derzeitigen Rechtslage über mehr als drei Kreuzungen oder Einmündungen nur mit baulichen Veränderungen möglich.
Anfang und Ende einer Fahrradstraße sind mit den Zeichen 244.1 und 244.2 zu beschildern. Bei der Einrichtung von Einbahnstraßen auf Fahrradstraßen ist aber noch unklar, wie diese konkret ausgestaltet werden sollen.
Die Integration von Fahrradstraßen in Tempo 30-Zonen ist hingegen seit Einführung der VwV-StVO 2021 möglich.
Vor der Einrichtung einer Fahrradstraße muss auch die Widmung überprüft werden. Gegebenenfalls ist eine Teileinziehung erforderlich.
Fahrradstraßen müssen in ein Gesamtkonzept integriert werden. Das bedeutet nicht nur, dass eine Fahrradstraße Teil eines Radwegenetzes sein muss, sondern auch, dass grundlegende Fehler bei der Umsetzung vermieden werden müssen. Hoher Kraftfahrzeugverkehr und beidseitiges Parken von Kraftfahrzeugen sind für Fahrradstraßen nicht förderlich.
Die Bergische Universität Wuppertal hat im Zeitraum von August 2017 bis September 2021 an Fahrradstraßen geforscht. Erklärtes Ziel war es, nach Projektende ab September 2021 die Forschungsergebnisse innerhalb der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) vorzustellen und mit den Erkenntnissen mittelfristig die ERA und RASt zu überarbeiten.
Im Ergebnis formulierte die Bergische Universität Wuppertal folgende Empfehlungen für die Einrichtung von Fahrradstraßen (Fahrradstraßen – Leitfaden für die Praxis, September 2021, Seite 14):
- Keine durchgehende Befahrbarkeit für den Kraftfahrzeugverkehr (kein Durchgangsverkehr, kein Schleichverkehr, kein quartiersfremder Verkehr)
- Übersichtlich gestaltete Knotenpunkte mit guten Sichtbeziehungen und einheitlichen Verkehrsregeln
- Sicherheitstrennstreifen zum ruhenden Verkehr
- Farbeinfärbungen
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