Fahrradstraße Regeln: Benutzung, Vorfahrt, Geschwindigkeit & Überholen
In Fahrradstraßen gelten bestimmte Regeln. Unter anderem regelt das Verkehrszeichen “Fahrradstraße”, wer die betreffende Straße benutzen darf. Auf die Frage, wer Vorfahrt in einer Fahrradstraße hat, antworten Fahrradenthusiasten häufig kurz und knapp: Fahrradfahrer. Leidenschaftliche Autofahrer lassen ihren Frust bei geöffnetem Fenster freien Lauf oder gewähren Radfahrern zumeist prophylaktisch Vorfahrt. Zu groß ist die Angst eines Unfalls. Wer hat aber wirklich Vorfahrt in einer Fahrradstraße? Gibt es eine Höchstgeschwindigkeit in Fahrradstraßen? Und was ist beim Überholen in Fahrradstraßen zu beachten?
In Fahrradstraßen hat an Einmündungen und Kreuzungen Vorfahrt, wer von rechts kommt. Der Fahrverkehr darf in Fahrradstraßen eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h nicht überschreiten. Beim zügigen Überholen von Radfahrern muss innerorts ein Sicherheitsabstand von 1,50 m eingehalten werden.
Im folgenden Artikel werden die Verkehrsregeln auf Fahrradstraße anhand von verschiedenen Praxisbeispielen und Bildern erläutert – darunter:
- Wie wird anderer Fahrzeugverkehr in Fahrradstraßen zugelassen?
- Welche Bedeutung geht von Zusatzzeichen unter dem Verkehrszeichen “Fahrradstraße” aus?
- Wie werden Radfahrer baulich bevorrechtigt?
- Wo regelt die Straßenverkehrs-Ordnung das Überholen in Fahrradstraßen?
- Ist Überholen in Fahrradstraßen überhaupt möglich?
Auf geht’s!
Benutzung von Fahrradstraßen
Fußgänger
In Fahrradstraßen gelten die Vorschriften über die Fahrbahnbenutzung (Anlage 2 Abschnitt 5 Sonderwege laufende Nummer 23 StVO).
Fußgänger müssen die Gehwege benutzen. Fußgänger dürfen auf der Fahrbahn – hier Fahrradstraße – nur dann gehen, wenn die Straße keinen Gehweg oder Seitenstreifen hat (§ 25 Absatz 1 StVO).
Triffst du auf eine Fahrradstraße ohne Gehweg oder Seitenstreifen, darfst du als Fußgänger innerorts am rechten oder linken Fahrbahnrand gehen (§ 25 Absatz 1 StVO).
Fußgänger müssen Fahrradstraßen unter Beachtung des Fahrzeugverkehrs zügig auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrtrichtung überschreiten (§ 25 Absatz 3 StVO).
Anderer Fahrzeugverkehr als Radverkehr
Sind Autos in Fahrradstraßen eigentlich erlaubt?
Die Antwort: Nur Fahrradfahrer und Elektrokleinstfahrzeuge nach eKFV dürfen Fahrradstraßen benutzen (Anlage 2 Abschnitt 5 Sonderwege laufende Nummer 23 StVO).
Fahrradstraßen, auf denen nur Fahrradfahrer und Elektrokleinstfahrzeuge nach eKFV erlaubt sind, werden ohne Zusatzzeichen beschildert.
Am Anfang einer Fahrradstraße ist folgendes Verkehrszeichen angebracht:
Das “Ende einer Fahrradstraße” sieht so aus:
Sind nur Fahrradfahrer und Elektrokleinstfahrzeuge nach eKFV in einer Fahrradstraße erlaubt, spreche ich im Folgenden von echten Fahrradstraßen.
Allerdings ist das Überqueren einer echten Fahrradstraße an einer Kreuzung zum Erreichen der weiterführenden Straße gestattet (Anlage 2 Abschnitt 5 Sonderwege laufende Nummer 23 StVO).
Durch Zusatzzeichen können verschiedene andere Verkehrsarten in Fahrradstraßen freigegeben werden (Anlage 2 Abschnitt 5 Sonderwege laufende Nummer 23 StVO).
Fahrradstraßen, in denen andere Verkehrsarten freigegeben sind, bezeichne ich in diesem Artikel als unechte Fahrradstraßen.
Meiner Meinung nach kommen nur folgende Verkehrsarten zur Freigabe in unechten Fahrradstraßen in Betracht:
- Personenkraftwagen,
- Kraftomnibusse,
- Elektrisch betriebene Fahrzeuge nach EmoG,
- Mofas,
- Krafträder, auch mit Beiwagen, Kleinkrafträder und Mofas,
- Kraftwagen und sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge
- und mehrfachbesetzte Personenkraftwagen und Krafträder.
Mit welcher Beschilderungskombination die oben genannten Fahrzeugarten freigegeben werden, erfährst du im Folgenden.
Fahrradstraße mit “Kfz frei”
Zusatzzeichen sollen, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen (VwV-StVO zu den §§ 39 bis 43).
Trotzdem findet sich vor deutschen Fahrradstraßen häufig die Kombination aus Zeichen 244.1 (Fahrradstraße) und dem Zusatzzeichen mit der Aufschrift “Kfz frei”.
Genauso können dir aber auch Zusatzzeichen mit der Aufschrift “Kfz-Verkehr frei” unter dem Verkehrszeichen “Fahrradstraße” begegnen.
Ist ein Zusatzzeichen mit der Aufschrift “Kfz frei” oder “Kfz-Verkehr frei” aber überhaupt zulässig?
In der Straßenverkehrs-Ordnung oder dem Verkehrszeichenkatalog sucht man vergebens nach einem Zusatzzeichen “Kfz frei” oder “Kfz-Verkehr frei”.
Abweichungen von den in der Straßenverkehrs-Ordnung oder dem Verkehrszeichenkatalog aufgeführten Zusatzzeichen sind nicht zulässig (VwV-StVO zu den §§ 39 bis 43).
Ausnahme: Die zuständige oberste Landesbehörde hat der Verwendung des Zusatzzeichens “Kfz frei” oder “Kfz-Verkehr frei” zugestimmt (VwV-StVO zu den §§ 39 bis 43).
Gehen wir davon aus, dass eine Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde vorliegt, wäre noch die Frage nach der Bedeutung des Zusatzzeichens “Kfz frei” und “Kfz-Verkehr frei” zu klären.
Hierzu eine kurze Exkursion ins allgemeine Verwaltungsrecht:
Verwaltungsakte müssen inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 37 Absatz 1 VwVfG). Verkehrszeichen stellen nach herrschender Meinung Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen dar (§ 35 Satz 2 Alternative 3 VwVfG).
Daher müssen Verkehrszeichen für Verkehrsteilnehmer bestimmt genug sein.
Mit anderen Worten: Verkehrsteilnehmern muss ohne zu überlegen klar sein, welche Regelung von dem betreffenden Verkehrszeichen ausgeht.
Auch Zusatzzeichen sind Verkehrszeichen (§ 39 Absatz 3 StVO).
Für mich geht von den Zusatzzeichen “Kfz frei” und “Kfz-Verkehr frei” unmissverständlich folgende Regelung aus: Kraftfahrzeuge – kurz Kfz – sind in dieser Fahrradstraße erlaubt.
Daher besteht aus meiner Sicht zumindest kein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot von Verkehrszeichen.
Fahrradstraße mit Sinnbildern auf Zusatzzeichen
Zunächst einmal können durch Verwendung der Zusatzzeichen aus dem Verkehrszeichenkatalog bestimmte Verkehrsarten in Fahrradstraßen erlaubt werden.
In der unteren Fahrradstraßen sind zum Beispiel Personenkraftwagen erlaubt.
Sind Busse in einer Fahrradstraße erlaubt, wird dies durch folgende Beschilderungskombination angezeigt:
In diese Fahrradstraße dürfen Mofas einfahren.
Krafträder, auch mit Beiwagen, Kleinkrafträder und Mofas sind in der unteren Fahrradstraße zulässig.
Unten sind elektrisch betriebene Fahrzeuge nach EmoG – also Fahrzeuge mit E-Kennzeichen – frei.
Es ist aber auch möglich mehrere unterschiedliche Verkehrsarten in Fahrradstraßen zu erlauben.
Mit der unteren Beschilderung sind Personenkraftwagen, Krafträder, auch mit Beiwagen, Kleinkrafträder und Mofas in der betreffenden Fahrradstraße erlaubt.
Andere Kombinationen sind ebenso möglich.
Ein letztes Beispiel noch:
Die obere Beschilderungskombination ermöglicht es Bus- und Mofafahrern in die Fahrradstraße einzufahren.
Es ist aber auch möglich andere Sinnbilder auf Zusatzzeichen zu verwenden (§ 39 Absatz 7 StVO).
Eine Verkehrsart wird von der Beschränkung durch das Verkehrszeichen “Fahrradstraße” ausgenommen, indem auf dem Zusatzzeichen hinter dem Sinnbild das Wort “frei” angehängt wird (VwV-StVO zu § 41).
So ist beispielsweise die Einfahrt in die Fahrradstraße durch die Kombination aus dem Verkehrszeichen “Fahrradstraße” und dem unten abgebildeten Zusatzzeichen für Kraftwagen und sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge erlaubt (§ 39 Absatz 7 StVO).
Die Benutzung einer Fahrradstraße kann durch die Verwendung des unteren Sinnbildes mit dem Zusatz “frei” für mehrfachbesetzte Personenkraftwagen oder Krafträder mit Beiwagen erlaubt sein (§ 39 Absatz 7 StVO).
Mit mehrfachbesetzten Personenkraftwagen sind Personenkraftwagen oder Krafträder mit Beiwagen gemeint, die mit mindestens drei Personen besetzt sind (§ 39 Absatz 7 StVO).
Auf einem Zusatzzeichen können auch mehrere freigegebenen Verkehrsarten gemeinsam abgebildet sein (Anlage 2 Abschnitt 5 Sonderwege laufende Nummer 23 StVO; VwV-StVO zu § 41).
So ergibt sich die wohl bekannteste Beschilderungskombination von unechten Fahrradstraßen:
Auf der obigen Abbildung ist es Kraftwagen, sonstigen mehrspurige Kraftfahrzeuge, Krafträdern, auch mit Beiwagen, Kleinkrafträdern und Mofas gestattet in die Fahrradstraße einzufahren.
Fahrradstraße mit “Anlieger frei”
Das Zusatzzeichen “Anlieger frei” unter dem Hauptzeichen “Fahrradstraße” erlaubt Personen mit einem berechtigten Anliegen im Zuge der Fahrradstraße die Benutzung der Fahrradstraße.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, dass
ohne weiteres diejenigen Verkehrsteilnehmer vom Anliegerbegriff erfaßt [sic!] [sind], die wie die Kläger Eigentümer oder Nutzungsberechtigte eines Grundstücks sind, welches an der Straße ‘anliegt’.
BVerwG, Urteil vom 15.02.2000 – 3 C 14.99, Randnummer 23
Demnach können Anlieger sowohl Grundstückseigentümer, als auch Nutzungsberechtigte eines Grundstückes im Zuge einer Fahrradstraßes ein.
Fahrradstraße mit “Lieferverkehr frei”
Lieferverkehr kann in Fahrradstraßen durch das Zusatzzeichen “Lieferverkehr frei” unter dem Verkehrszeichen “Fahrradstraße” zugelassen werden.
Laut Bundesverwaltungsgericht fällt unter Lieferverkehr (BVerwG, Urteil vom 08.09.1993 – 11 C 38.92)
- geschäftsmäßiger Transport von Sachen von Gewerbetreibenden,
- geschäftsmäßiger Transport von Sachen zu Gewerbetreibenden,
- geschäftsmäßiger Transport von Sachen von sonstigen Kunden eines Gewerbetreibenden
- sowie geschäftsmäßiger Transport von Sachen zu sonstigen Kunden eines Gewerbetreibenden.
Vorfahrt in Fahrradstraßen
Ganz am Ende der Ge- und Verbote des Zeichens 244.1 (Fahrradstraße) sagt die Straßenverkehrs-Ordnung:
Im Übrigen gelten die Vorschriften über die Fahrbahnbenutzung und über die Vorfahrt.
Anlage 2 Abschnitt 5 Sonderwege laufende Nummer 23 StVO
Der Verordnungsgeber weist hier jedoch lediglich auf einen allgemein gültigen Grundsatz im Straßenverkehrsrecht hin:
Wo von einem Verkehrszeichen keine anderen Regelungen ausgehen, gelten die allgemeinen Verhaltensvorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung.
Ohne Verkehrszeichen oder bauliche Besonderheiten gilt an Einmündungen und Kreuzungen im Zuge von Fahrradstraßen folglich “rechts vor links” (§ 8 Absatz 1 StVO).
Auf der unten abgebildeten Verkehrssituation sind die auf der Fahrradstraße fahrenden Radfahrer wartepflichtig gegenüber dem von rechts kommenden Autofahrer.
Durch Verkehrszeichen kann dem Fahrverkehr auf der Fahrradstraße allerdings Vorfahrt an Einmündungen oder Kreuzungen eingeräumt werden.
Dabei wird für den Fahrverkehr auf der Fahrradstraße vor der betreffenden Einmündung oder Kreuzung Zeichen 301 (Einmalige Vorfahrt) aufgestellt.
An jeder Kreuzung und Einmündung, vor der das Zeichen “Einmalige Vorfahrt” steht, muss auf der anderen Straße das Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren) oder das Zeichen 206 (Halt. Vorfahrt gewähren) angebracht werden (VwV-StVO zu Zeichen 301).
Für Verkehrsteilnehmer, die die Fahrradstraße kreuzen oder in diese einfahren, ist demnach entweder Zeichen “Vorfahrt gewähren” oder Zeichen “Halt. Vorfahrt gewähren” aufgestellt.
Es gibt jedoch noch eine weitere Möglichkeit, wie du auf Fahrradstraßen an Kreuzungen und Einmündungen bevorrechtigt sein kannst:
Die Einmündungen und Kreuzungen im Zuge einer Fahrradstraße können mit abgesenkten Bordsteinen versehen werden.
Wer […] über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren […] will, hat sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
§ 10 StVO
Wenn Fahrzeuge also über einen abgesenkten Bordstein auf eine Fahrradstraße einfahren oder diese kreuzen, so sind diese ebenso wartepflichtig gegenüber Fahrzeugen auf der Fahrradstraße.
Manchmal führen in Fahrradstraßen einmündende Straßen auch über Gehwege.
In einem solchen Fall sind aus der Einmündung ausfahrende Fahrzeuge zusätzlich wegen des Überfahrens eines anderen Straßenteils – hier Gehweg – wartepflichtig (§ 10 StVO).
Geschwindigkeit in Fahrradstraßen
In Fahrradstraßen darf der gesamte Fahrverkehr maximal 30 km/h schnell fahren (Anlage 2 Abschnitt 5 Sonderwege laufende Nummer 23 StVO).
Wer ist mit Fahrverkehr gemeint?
Fahrräder sind Fahrzeuge (Gesetz zu den Übereinkommen vom 08.11.1968 über den Straßenverkehr, BGBl 1977 Seite 809; § 63a Absatz 1 StVZO; BVerwG, Urteil vom 18.11.2010 – 3 C 42.09).
Unter Fahrverkehr in Fahrradstraßen fallen demnach sowohl zugelassene Kraftfahrzeuge, als auch Fahrradfahrer.
Das bedeutet, dass auch Radfahrer in Fahrradstraßen höchstens 30 km/h schnell fahren dürfen.
Überholen in Fahrradstraßen
Bevor wir uns der Spezialvorschrift zum Überholen von Radfahrern und Elektrokleinstfahrzeugen mit Kraftfahrzeugen widmen, müssen wir uns zunächst noch einmal an die Grundregeln zum Überholen erinnern.
Ausschluss Behinderung Gegenverkehr
Zum Einen darf es beim Überholen zu keiner Behinderung des Gegenverkehrs kommen (§ 5 Absatz 2 StVO).
Ob der Gegenverkehr behindert wird, hängt im Wesentlichen davon ab, ob der Überholvorgang zügig durchgeführt werden kann.
Wesentlich höhere Geschwindigkeit
Zum Anderen musst du beim Überholen eine “wesentlich höhere Geschwindigkeit als der zu Überholende” fahren (§ 5 Absatz 2 StVO).
Was ist eine “wesentlich höhere Geschwindigkeit”?
In der Straßenverkehrs-Ordnung ist nicht definiert, wann eine “wesentliche höhere Geschwindigkeit” vorliegt.
Es gibt aber Rechtsprechung:
Laut dem OLG Zweibrücken ist eine eindeutige Festlegung, was mit einer “wesentlich höheren Geschwindigkeit” gemeint ist, nicht möglich. Das OLG Zweibrücken konkretisierte aber, dass dem Regelungszweck entsprechend Überholvorgänge nur zügig durchgeführt werden sollen (OLG Zweibrücken, Urteil vom 16.11.2009 – 1 SsRs 45/09).
Ob eine wesentlich höhere Geschwindigkeit vorliegt, soll demnach von folgenden Faktoren abhängig sein (OLG Zweibrücken, Urteil vom 16.11.2009 – 1 SsRs 45/09):
- Absolute Geschwindigkeitsdifferenz
- Länge des während des Überholvorgangs zurückgelegten Weges
Der Bundesgerichtshof wurde zur innerörtlichen absoluten Geschwindigkeitsdifferenz schon etwas konkreter.
Er entschied, dass eine “wesentlich höhere Geschwindigkeit” beim Überholen innerhalb geschlossener Ortschaften bei einer Differenz von 50 km/h zu 40 km/h vorliegt (BGH, Urteil vom 25.06.1968 – VI ZR 158/87, VersR 1968, 1040).
Sicherheitsabstand
Daneben müssen Kraftfahrzeuge beim Überholen von Radfahrern und Elektrokleinstfahrzeugen innerorts einen Abstand von mindestens 1,50 m zu Radfahrern und Elektrokleinstfahrzeugen einhalten (§ 5 Absatz 4 StVO).
Das gilt auch in Fahrradstraßen.
Ok, vielleicht fragst du dich nun:
Kann ich mit meinem Kraftfahrzeug dann überhaupt einen Fahrradfahrer in einer Fahrradstraße überholen, wenn ich zu diesen einen Abstand von mindestens 1,50 m einhalten muss?
Spielen wir das Ganze an verschiedenen Beispielen durch.
Zuallererst benötigen wir die Breite der Fahrradstraße.
Ich habe bereits einen Beitrag zur Breite von Fahrradstraßen geschrieben. Aus diesem können wir die Breite von unechten Fahrradstraßen entnehmen.
Für diese Fallstudie legen wir Fahrradstraßen mit 4,00 m, 5,00 m und 6,00 m Breite zugrunde.
Des Weiteren müssen wir uns darauf festlegen, mit welcher Verkehrsart wir den Radfahrer überholen möchten. In den unteren Beispielen gehe ich davon aus, dass ein Personenkraftwagen einen Radfahrer in einer Fahrradstraße überholen möchte.
Als nächstes gilt es, die Breite des Personenkraftwagens zu ermitteln.
Dazu habe ich die Fahrzeugbreiten der beliebtesten Pkw-Modelle Deutschlands recherchiert. Die Fahrzeugbreiten sind jeweils mit ausgeklappten Spiegeln angegeben.
Modell | Breite |
---|---|
Fiat 500 | 1,893 m |
MINI 3-Türer | 1,932 m |
MINI 5-Türer | 1,932 m |
VW Golf 2012 | 2,027 m |
VW Golf 2017 | 2,027 m |
VW Golf 2020 | 2,073 m |
VW Polo | 1,964 m |
VW T-Roc | 1,992 m |
VW Tiguan 2021 | 2,099 m |
VW Passat | 2,083 m |
Opel Corsa 5p 2015 | 1,944 m |
Opel Corsa 2020 | 1,960 m |
Opel Astra 2016 | 2,042 m |
Opel Astra 2020 | 2,042 m |
Opel Vectra C | 2,036 m |
BMW 3er Limousine 2015 | 2,031 m |
BMW 3er Limousine 2019 | 2,068 m |
BMW 5er Limousine 2013 | 2,102 m |
BMW 5er Limousine 2017 | 2,126 m |
BMW 5er Limousine 2020 | 2,126 m |
Audi A4 2016 | 2,022 m |
Audi A4 2020 | 2,022 m |
Ford Fiesta 2013 | 1,973 m |
Ford Fiesta 2017 | 1,941 m |
Ford Focus 2015 | 2,010 m |
Ford Focus 2018 | 1,979 m |
Ford Kuga 2013 | 2,086 m |
Ford Kuga 2017 | 2,086 m |
Ford Kuga 2020 | 2,178 m |
Mercedes C-Klasse 2014 | 2,020 m |
Mercedes C-Klasse 2018 | 2,020 m |
Porsche 911 Carrera 2016 | 1,978 m |
Porsche 911 Carrera 2019 | 2,024 m |
Škoda Octavia 2013 | 2,017 m |
Škoda Octavia 2017 | 2,017 m |
Škoda Octavia 2020 | 2,003 m |
In einem ersten Fallbeispiel schauen wir uns das Überholen in einer 4,00 m breiten innerörtlichen Fahrradstraße an.
Bei den Verkehrsräumen für Radfahrer gehe ich von den Vorgaben der Empfehlungen für Radverkehrsanlagen und der Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen aus.
Ein Fahrradfahrer benötigt einen Verkehrsraum von 1,00 m (Kapitel 2.2.1 ERA; Kapitel 4.6 RASt).
Der Kraftfahrzeugfahrer muss einen Abstand von 1,50 m zum Radfahrer einhalten.
In einer 4,00 m breiten Fahrradstraße verbleibt dann noch eine Fahrbahnbreite von 1,50 m zum Überholen.
Selbst mit dem schmalsten Personenkraftwagen aus der oberen Liste – einem Fiat 500 – kann man in einer 4,00 m breiten Fahrradstraße bei einer verbleibenden Fahrbahnbreite von 1,50 m nicht mehr überholen.
Wie sieht es bei einer Fahrradstraße mit einer Breite von 5,00 m aus?
Das breiteste Modell in der obigen Liste ist der Ford Kuga 2020 mit einer Breite von 2,178 m.
Laut den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen benötigt ein Personenkraftwagen zum Vorbeifahren einen Verkehrsraum von 2,25 m (Kapitel 4.3 RASt).
Bei einer Fahrbahnbreite von 5,00 m können auch die breitesten Fahrzeugmodelle der obigen Liste in einer Fahrradstraße einzeln fahrende Radfahrer überholen, da eine Restfahrbahnbreite von 2,50 m zum Überholen verbleibt.
Wie bereits oben erwähnt, dürfen Radfahrer in Fahrradstraßen nebeneinander fahren (Anlage 2 Abschnitt 5 Sonderwege laufende Nummer 23 StVO).
Auch zu zwei nebeneinander fahrende Radfahrer in einer Fahrradstraße muss ein ausreichender Sicherheitsabstand eingehalten werden.
Zwei nebeneinander fahrende Radfahrer benötigen eine Verkehrsfläche von 2,00 m (Kapitel 2.2.1 ERA).
Nun soll ein Personenkraftwagen zwei nebeneinander fahrende Radfahrer in einer 6,00 m breiten Fahrradstraße innerhalb einer geschlossenen Ortschaft überholen.
Ergebnis: Der Sicherheitsabstand zu den Radfahrern von 1,50 m kann eingehalten werden. Der Personenkraftwagen kann überholen.
In Fahrradstraßen gilt, wie bereits oben erwähnt, eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h.
Zusammenfassend kann man sagen, dass man Radfahrern und Elektrokleinstfahrzeugen auf innerörtliche Fahrradstraßen mit Kraftfahrzeugen überholen darf, wenn
- kein Gegenverkehr beim Überholen behindert wird,
- der betreffende Radfahrern oder das betreffende Elektrokleinstfahrzeug maximal 20 km/h schnell fährt
- und ein Sicherheitsabstand von 1,50 m eingehalten werden kann.
Kinder in Fahrradstraßen
In Fahrradstraßen gelten im Übrigen die Vorschriften über die Fahrbahnbenutzung und über die Vorfahrt (Anlage 2 Abschnitt 5 Sonderwege laufende Nummer 23 StVO).
Kinder bis einschließlich acht Jahre müssen mit Fahrrädern Gehwege benutzen (§ 2 Absatz 5 StVO).
Das bedeutet, dass Kinder bis einschließlich acht Jahre in Fahrradstraßen Gehwege benutzen müssen.
Kinder bis einschließlich zehn Jahre dürfen mit Fahrrädern Gehwege benutzen (§ 2 Absatz 5 StVO).
Mit anderen Worten: In Fahrradstraßen dürfen Kinder zwischen neun und zehn Jahren Gehwege benutzen.
Soweit ein Kind bis einschließlich acht Jahre von einer geeigneten Aufsichtsperson begleitet wird, darf diese Aufsichtsperson für die Dauer der Begleitung den Gehweg ebenfalls mit dem Fahrrad benutzen (§ 2 Absatz 5 StVO).
Aufsichtspersonen, welche ein Kind bis einschließlich acht Jahre in Fahrradstraßen begleiten, dürfen demnach ebenfalls für die Dauer der Begleitung den Gehweg mit dem Fahrrad befahren.
Aufsichtspersonen sind insbesondere geeignet, wenn sie mindestens 16 Jahre alt sind (§ 2 Absatz 5 StVO).
Auf Fußgänger ist besondere Rücksicht zu nehmen. Der Fußgängerverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden (§ 2 Absatz 5 StVO).
Soweit erforderlich, muss die Geschwindigkeit an den Fußgängerverkehr angepasst werden (§ 2 Absatz 5 StVO).
Wird vor dem Überqueren einer Fahrbahn ein Gehweg benutzt, müssen die Kinder und die diese begleitende Aufsichtsperson absteigen (§ 2 Absatz 5 StVO).
Fazit
Andere Fahrzeuge werden in Fahrradstraßen durch Zusatzzeichen, wie “Personenkraftwagen frei” oder “Kraftwagen, sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge, Krafträder, Kleinkrafträder und Mofas frei”, zugelassen.
Radfahrer werden in Fahrradstraßen mit abgesenkten Bordsteinen baulich bevorrechtigt.
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